Coaching? Ich doch nicht!

Coaching lotet die Situation ganzheitlich aus

«Ich bin Coach!» – Vielleicht geht es Ihnen genau so wie mir vor ein paar Jahren. Ein leichtes Unbehagen macht sich beim Wort «Coaching» breit. Bald jeder und jede ab 35 nennt sich Coach oder geht in ein Coaching. Ist das nicht etwas für Esoterikerinnen? Für Losers, die ihr Leben und ihren Job nicht im Griff haben? Geht es beim «Coaching» um ein Wohlfühl-Gespräch mit Klangschalen oder um knallharte Fehleranalyse mit Ratschlägen?

Die Antwort ist: Je nachdem. Der Markt an Coaching ist so breit, dass bestimmt auch diese beiden Extreme von irgend jemandem angeboten werden. Im Folgenden werde ich beschreiben, was ich bei der In Gang Beratung GmbH unter Coaching verstehe (systemisches Coaching) und warum ein solches Coaching tatsächlich in vielen Situationen einen Mehrwert bietet. Vielleicht weicht dann – genau wie einst bei mir – auch bei Ihnen das Unbehagen der Neugier.

Nicht jedes Coaching geht um Ratschläge

Auch in der Einzelberatung kann man zwischen Fachberatung und systemischem Coaching unterscheiden. Salopp gesagt: Brauche ich Zusatzwissen, welches ich selber nicht habe oder geht es darum, dass ich mit meinen eigenen Mitteln besser meine Ziele erreiche?

Ein Fachberater liefert dem Klienten Wissen oder Fertigkeiten, welche dieser selber nicht besitzt, sei es in der Steueroptimierung, bei der Wahl der richtigen Versicherung oder beim Installieren eines IT-Systems. Er bewegt sich im Bereich von «best practices» und kennt seine Domäne in- und auswendig.

Gerade für komplexe Situationen, in denen Menschen involviert sind, gibt es jedoch oft keine «best practices», die in jedem Fall zum Erfolg führen. Das ist das Feld der systemischen Beraterin, bzw. der Prozessberatung: Diese Coaches gehen davon aus, dass die Lösung für eine Problemsituation nur dann nachhaltig ist, wenn sie von den Betroffenen selber gefunden und mitgestaltet wird. Systemische Coaches unterstützen diese Prozesse und machen eher das implizite Wissen der Coachees nutzbar, als selber Ratschläge zu erteilen.1In der Praxis kommt es bei beiden Disziplinen natürlich zu Mischformen. Gerade bei der Einführung eines IT-Systems sind der Kontext und die Menschen so relevant, dass man meist nicht umhin kommt, die Betroffenen reell in den Changeprozess einzubinden. Systemische Coaches wiederum sind ExpertInnen in Methoden, welche Betroffene zu Beteiligten machen und halten deshalb durchaus auch einmal Schulungen im Bereich Führung, Selbstorganisation oder dem Einsatz von Grossgruppenmethoden ab.

Die richtigen Fragen: Ein Beispiel aus dem Sport

Coaching ohne Ratschläge – was ist denn hier der Mehrwert? Vielleicht hilft ein Beispiel aus dem Sport: Auch ohne Coach kann ich jeden Tag 20 Liegestützen machen und 2 km joggen, wie es mir die Fitnessapp anhand meines Profils vorgeschlagen hat. Wenn ich genügend diszipliniert bin, kann ich das auch problemlos durchziehen. Vielleicht macht es mir aber gar keinen Spass und irgendwann höre ich wieder damit auf.

Mit einem Coach und vereinbarten Terminen ist es nicht nur wahrscheinlicher, dass das Training auch stattfindet. Coach und Coachee können im Gespräch auch herausfinden, worum es der Coachee eigentlich geht. Warum trainiert die Coachee überhaupt, was motiviert sie? Wann genau macht das Training keinen Spass? Und wann doch? Welche Alternativen wären möglich, möchte der Partner schon lange mit ihr klettern gehen? Möglicherweise wäre das Training gar nicht so wichtig, wenn der Stress im Beruf nicht so hoch wäre? Hier hilft der Austausch mit dem Coach, eigene blinde Flecken zu überwinden. Oft beisst man sich in eine Sichtweise fest und verliert so den Blick auf das Ganze. Der entscheidende Punkt ist, dass der Coach der Coachee zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Fragen stellt. Fragen helfen nicht nur, die Coachee ihrem Ziel einen Schritt näher zu bringen, sondern auch beim Herausfinden, was das Ziel überhaupt sein könnte.

Dass der Coach verschiedene Fitnessübungen und die biomechanischen Zusammenhänge kennt, ist in unserem Beispiel zwar nützlich, aber nicht entscheidend. Ultimativ wird nur das funktionieren, was bei der Coachee auch Anklang findet und in ihren ganz individuellen Alltag passt.

Fokus, Ressourcen und blinde Flecken: Der Mehrwert von Coaching

Ähnlich funktioniert das systemische Coaching auch in beruflichen Situationen. Als Führungskraft kann ich ein Problem mit einer Mitarbeiterin oder einer Aufgabe oft alleine lösen. Wenn die Probleme wieder und wieder auftreten, nimmt man sich vielleicht vor, darüber einmal vertieft zu reflektieren. Dann aber fehlt dazu die Zeit oder die Priorisierung – kaum hat man angefangen, kommt das operative Geschäft dazwischen. Mit der Zeit stellen sich leise Zweifel ein: Müsste ich das nicht lösen können? Soll ich kündigen? Warum raubt mir das soviel Energie? Ein Einzelcoaching kann hier auf viele Arten helfen:

  • Der Termin mit dem Coach ist fixiert – man nimmt sich bewusst Zeit für das Problem.
  • Man kann als Coachee innerlich loslassen, da der Coach sich darum kümmert, dass der Fokus nicht verloren geht und Relevantes wirklich besprochen wird.
  • Die Situation wird mit Hilfe des Coachs ganzheitlich ausgelotet, blinde Flecken möglichst neutralisiert und alternative Sichtweisen aufgedeckt.
  • Der Coach hilft dabei, Ressourcen zur Bearbeitung des Problems aufzudecken und zu mobilisieren
  • Die Coachee wird dazu angeregt, die gefundenen Lösungen in ihrem Alltag zu verankern. So steigt die Wahrscheinlichkeit, dass auch wirklich etwas geschieht.

Die Erfahrung zeigt, dass es keine «zu trivialen» Probleme für ein Coaching gibt. Allein die Tatsache, dass man ein Coaching überhaupt ins Auge fasst, zeigt, dass für die Betroffenen die Lösung für das Problem nicht auf der Hand liegt. Oft geht es auch vordergründig um ein «einfaches» Problem, das aber mit anderen Themen so verknüpft ist, dass sich alles gegenseitig blockiert. Im Coaching können diese Dinge dann schneller auftauchen und man kann sich dem «Eigentlichen» widmen, bzw. die einzelnen Problemstränge nacheinander angehen.

Coaching = Kaffeestunde mit dem besten Freund?

Kann ich das nicht einfach beim Kaffee mit dem besten Freund machen? Auch da muss man unterscheiden. Gute Coaches haben nicht umsonst eine Ausbildung in Coaching gemacht. Es braucht Fertigkeiten und Erfahrung, um ein Coachinggespräch so zu steuern, dass der Fokus nicht verloren geht – was auch immer während eines Gesprächs zutage kommt. Zudem sind Freund und Freundin auf der Beziehungsebene involviert:

  • Als coachende Freundin ist sie gewissermassen verpflichtet, Ihren Standpunkt zu stützen und Sie in Ihrer Sicht zu bestätigen. Sie kennt Ihre wunden Punkte, Ihre Vorlieben und Ihre Geschichte. Aus dieser Perspektive ist es ohne Coaching-Ausbildung schwierig, eine wirklich alternative Sicht anzuregen oder blinde Flecken aufzudecken, ohne mit dem Freund in Konflikt zu geraten oder zumindest eine Störung auf der Gefühlsebene zu riskieren.
  • Als gecoachter Freund möchten Sie sich so präsentieren, wie Sie Ihre Freundin schon immer kennt. Auch Sie wissen, was die Freundin gut oder schlecht findet und passen sich mehr oder weniger bewusst daran an.

Im professionellen Umfeld fallen diese Nachteile weg. Eine Coaching-Sitzung bietet einen geschützten Rahmen, in dem alles besprochen werden kann und alle Reaktionen, Emotionen, Aussagen erlaubt sind. Ein professionell arbeitender systemischer Coach ist unvoreingenommen, diskret und wertet das Verhalten der Coachees nicht.

Zusammenfassend: Ein systemisches Coaching in Anspruch zu nehmen, ist kein Zeichen von Schwäche. Es zeigt vielmehr die Einsicht, dass jeder Mensch seine blinden Flecken hat und dass es nachhaltiger ist, Lösungen fokussiert und mit einem «Spiegel von aussen» zu erarbeiten. Ein regelmässiges Einzelcoaching hilft, persönliche Ziele zu erreichen, sein Leben so zu leben, wie man es eigentlich will und die Energie zu mobilisieren, dass sich auch wirklich etwas ändert.