Bonus effektiv verteilen – mit der Unternehmenskultur im Blick

Ein guter Bonus besteht aus mehreren Komponenten.

Wieder einmal ist Jahresendspurt. Früher traditionell die Zeit, in der man sich besonders um positive Sichtbarkeit bemühte, um von den Vorgesetzten allenfalls einen Lohnzuschlag – den Bonus – zu erhalten. Später kamen die Boni vor allem durch negative Beispiele aus Geschäftsleitungen zunehmend in Verruf. Einige Unternehmen schafften diese in der Folge ab (z.b. Raiffeisen, die Baloise Gruppe oder die Migrosbank). Nun hat – vielleicht nicht zuletzt durch Elon Musk und die Trump-Administration – in meiner Wahrnehmung der Wind wieder etwas gedreht. Leistung ist mehr in den Fokus gekommen, die «harten Kriterien» stehen wieder als Trend neben den «Wohlfühlfaktoren». Vielleicht kommen nun auch die Boni wieder?

Dann könnte man allerdings auch ein Bonus-System entwickeln, das eine blühende Unternehmenskultur fördert. Das alte, oft leistungsfokussierte System zähle ich aufgrund diverser negativer Seiteneffekte nicht dazu. Eine gute Checkliste für ein kulturfreundliches Bonussystem sind die «Systemprinzipien», welche durch Matthias Varga von Kibéd und Insa Sparrer (SySt-Institut) als Hilfsmittel für die Beratung von Systemen entwickelt wurden. Jedes Element der Checkliste werde ich zudem durch ein reales Beispiel der Bonusgestaltung illustrieren. Tatsächlich habe ich einst in einem Unternehmen gearbeitet wo – offenbar mit einer guten Intuition für die Systemprinzipien – die Boni sehr spürbar kultursensibel gestaltet wurden.

Die SySt®-Systemprinzipien im Überblick

Die Systemprinzipien nach Syst® können natürlich nicht nur für unser Thema «Bonus», sondern generell als ordnende Methodik genutzt werden. Bestehen z.B. Spannungen in einer Organisation oder einem Team, kann ein Blick auf diese Prinzipien hilfreiche Hinweise für Interventionen geben. Wichtig dabei ist, dass die Prinzipien eine definierte Reihenfolge (und damit Rangfolge) haben. Es hilft z.B. nichts, beim Prinzip 4 («Wertschätze Verantwortung!») anzusetzen, wenn keine Klarheit besteht, wer überhaupt zugehörig zur entsprechenden Einheit ist (Prinzip 1).

Weiter gilt als Metaprinzip auch «Anerkenne, was ist» (Nicht-Leugnung). Es hilft nichts, sich Dinge schön zu reden, sondern es gilt, mutig die eigentlichen Mechanismen in der Organisation anzuschauen. Dabei darf man bewusst auch die eigene Wahrnehmung zu hinterfragen. In der agilen Methodik des Kanban entspricht dies dem «Start where you are». Wenn wir also den Bonus um- oder neu gestalten, heisst das zum Beispiel:

  • Auch wenn wir in der Wahrnehmung der Geschäftsleitung «wie eine Familie» funktionieren, unser Wert «Fairness» im Leitbild steht und wir auch in den Wahrnehmung vieler Mitarbeitenden eine «super Kultur» haben, möchten wir hinschauen, wo genau wir «Familienmitglieder» unterschiedlich behandeln 1Was übrigens gerade auch in Familien Tatsache ist, etwa bezüglich Rechten und Pflichten: Das Kind darf nicht gleichviel wie der Papa. .

Die eigentlichen Systemprinzipien sind nun:

  • Systemprinzip 1: Schaffe Zugehörigkeit und achte diesbezüglich auf Gleichbehandlung!
  • Systemprinzip 2: Würdige, was schon lange da ist!
  • Systemprinzip 3: Fördere das, was neue Möglichkeiten schafft!
  • Systemprinzip 4: Wertschätze Verantwortung und Einsatz!
  • Systemprinzip 5: Würdige Leistungen und fördere Fähigkeiten!

Systemprinzip 1: Mit dem Bonus Zugehörigkeit schaffen

Wie kann ich nun mit dem Bonus Zugehörigkeit schaffen? Ein wichtiges Element der Zugehörigkeit ist die Bedingungslosigkeit, wenn sie einmal Tatsache ist. Zugehörigkeit wie wir sie hier verstehen, bedeutet die Zugehörigkeit zu einem System (hier: einem Unternehmen). Allein der Arbeitsvertrag schafft diese Zugehörigkeit. Danach hängt sie nicht mehr davon ab, ob man eine bestimmte Ausbildung hat, ob man viel oder wenig leistet oder ob man in der internen Hierarchie oben oder unten ist.

In dem Unternehmen, das ich als Beispiel heranziehen möchte, war ein Teil des jährlichen Bonus eine «Kopfprämie» abhängig vom Gewinn des Unternehmens und dem individuellen Beschäftigungsgrad. Alle Mitarbeitenden erhielten diesen Bonus als Zeichen dafür, dass sie gleichwertig Teil eines Ganzen sind, zu dessen Erfolg sie beitragen. Zu beachten: Der Unterschied nach Beschäftigungsgrad verletzt das Prinzip nicht, da die Mitarbeitenden in den restlichen Prozenten ihrer Arbeitszeit durchaus zu einem anderen System (Unternehmen) zugehörig sein können.

Systemprinzipien 2 und 3: Verweildauer würdigen – und gleichzeitig Innovation fördern

Ein Bonus für die «Verweildauer» ist in vielen Bonussystemen vorgesehen – die Berücksichtigung des Dienstalters als Komponente. Es wirkt zwar altbacken, dennoch macht das Sinn: Loyalität und Kontinuität ist in jedem Unternehmen wichtig, nicht zuletzt für die Bewahrung des internen Firmenwissens. Langjährige Mitarbeitende fungieren als eigentliche Hüter für die Unternehmenskultur und sorgen dafür, dass in all den Veränderungen die Stabilität des Unternehmens und die angesammelte Erfahrung nicht verloren geht. In meinem Beispielunternehmen war auch die Verweildauer eine transparente Zusatzkomponente im jährlichen Bonus.

Wird nur für Dienstalter ein Bonus ausgezahlt, fühlen sich oft neue Mitarbeitende nicht entsprechend gewürdigt: «Der macht ja nur altes Zeug, und ich bringe hier die neuen Ideen!». In der Tat sollte auch der Bonus die Balance zwischen Stabilität und Dynamik würdigen. Was man hier machen kann: eine Sonderprämie für Innovation, welche Mitarbeitende für neue Ideen erhalten, für Weiterbildungen in Zukunftstechnologien oder für Prototypen. In meinem Referenzunternehmen hiess dieser Bestandteil «Zucker». Hier ist es wichtig, dass auch für dieses Element transparente Verteilungskriterien bestehen.

Mit dem Bonus Einsatz und Verantwortung honorieren (Systemprinzip 4)

Auch der Verantwortungsbonus ist häufig Teil von Bonussystemen: Wer in der Hierarchie weiter oben ist, erhält höhere Boni. So einfach ist es hingegen oft nicht. Besonders für dieses Prinzip gilt auch das Metaprinzip «Anerkenne was ist». Für den Bonus also einfach das Organigramm heranzuziehen, verkennt manchmal die Tatsachen. Wer hatte wirklich wofür Verantwortung? Wer hat sich tatsächlich wo speziell eingesetzt? Diese Fragen können nur die Beteiligten unter sich klären – was natürlich für den Bonus zusätzliche Komplexität bedeutet. Wie hat nun mein Referenzunternehmen dieses Problem gelöst? Tatsächlich gab es eine Komponente, welche «Teambonus» genannt wurde. Jedes Team erhielt abhängig von seiner Grösse einen bestimmten Betrag mit der Aufgabe, diesen untereinander aufzuteilen nach übernommener Verantwortung und speziellem Einsatz. Was hier sichtbar werden soll, ist also nicht das offizielle, sondern das «implizite» Organigramm.

Es wurde also in kleinen lokalen Teams das «Bonusmeeting» abgehalten, wo die Teammitglieder untereinander argumentierten, wer davon wieviel erhalten sollte. Wer das selbst nicht erlebt hat, stellt sich womöglich hitzige Diskussionen voller Raffgier vor. Da aber alle Teammitglieder schliesslich mit der Verteilung einverstanden sein mussten, gab in der Praxis wenig Spielraum für Egoismus. Vielmehr waren diese Meetings eine Möglichkeit, einander positives Feedback fürs Verhalten im letzten Jahr zu geben. Das tönte dann so: «Roman sagt jetzt zwar nichts. Aber ich finde wir sollten ihm etwas geben dafür, dass er immer im Hintergrund alles aufräumt, wenn wir die coolen neuen Dinge machen…» / «Maurus, du bist zwar offiziell nicht mein Stellvertreter, aber wie du dich im schwierigen Meeting für einen guten Abschluss engagiert hast, war wirklich Klasse!».

Leistung honorieren – als letzte Komponente im Bonussystem (Systemprinzip 5)

Ein wichtiger Faktor für das Diskussionsklima war bestimmt, dass es auch hier nur um eine Komponente des Bonus mit einem sehr begrenzten Betrag ging. Die Fragen nach «wer ist länger da», «wer ist zugehörig und wer nicht», «wer ist innovativ» etc. wurden in den Diskussionen somit ausgeklammert. Eingeflossen ist hier auch die Leistung.

Obwohl es gefährlich ist, die Leistung zu «messen», gibt es doch in jeder Organisation das Bedürfnis, die eigene Leistung gewürdigt zu sehen. Während Verantwortung und Einsatz unabhängig von den Resultaten sind, geht es bei der Leistung zentral um die erzielte Wirkung. Nötig hier ist jedoch eine gewisse Demut. Man überschätzt oft, wie weit ein gutes (oder auch schlechtes) Resultat wirklich von der Leistung des einzelnen geprägt wird (und nicht durch günstige Zufälle und die Umgebung). Und es wird auch überschätzt, wie gut obere Hierarchiestufen diese «Einzelleistungen» einschätzen können.

Leistung in einer «Teambonusrunde» abzuhandeln macht also auch deswegen Sinn. Lokal kann am besten beurteilt werden, wer wo welchen Effekt hatte. Dies führte nicht zuletzt auch zu einer hilfreichen Eigenreflexion, wie sehr die eigene Leistung von der Unterstützung der Umgebung abhängig ist: «Stefan, du hast uns mit deiner enormen Erfahrung echt aus der Patsche geholfen!» – «Ja, und ihr habt das erst möglich gemacht, weil ihr mir in dieser Zeit die Bugfixes abgenommen habt… und Sam hat mir überdies einen Crashkurs in Cybersecurity gegeben und so das ganze nachhaltiger gemacht…»

Klingt kompliziert? Vielleicht, ja. Wie gesagt ist das jedoch kein fiktives Beispiel aus dem Lehrbuch, und möglicherweise gibt es andere Varianten. Ich bin jedoch überzeugt, dass die Motivation von Mitarbeitenden durch ein solches ausbalanciertes System auf jeden Fall besser wird als durch jedes, das nur auf einen Einzelaspekt fokussiert.

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    Was übrigens gerade auch in Familien Tatsache ist, etwa bezüglich Rechten und Pflichten: Das Kind darf nicht gleichviel wie der Papa.