Entscheidungen im Team ohne endlose Quasselrunden

Entscheidungen im Team: Ohne Quasselrunde

Entscheidungen sind unser tägliches Brot: Welches Software-Framework wählen wir? Wohin gehen wir beim Teamausflug? Wie gestalten wir Online-Meetings? Wer holt den Defibrillator? Wie geht das am Schnellsten? Klar – der Chef entscheidet (solange noch allen klar ist, wer der Chef ist). Im Falle des Defibrillators, wo Schnelligkeit über Leben und Tod entscheidet, sicher eine gute Lösung. In den meisten anderen beruflichen Situationen sind aber andere Kriterien wichtiger als Schnelligkeit: Die Lösung sollte möglichst passend und nachhaltig sein, möglichst von allen mitgetragen werden und damit eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Umsetzung besitzen.

Entscheidungen und Verantwortung: Gemeinsam oder nur ExpertInnen?

Für diese Entscheide hat sich deshalb in vielen Teams etabliert, dass man die Teammitglieder einbezieht. Hier gibt es verschiedene Varianten:

  • Einzelne Know-how-TrägerInnen werden konsultiert, den Entscheid trifft aber die Führungskraft
  • Alle werden konsultiert, den Entscheid trifft aber die Führungskraft.
  • Die Know-how-TrägerInnen treffen den Entscheid fürs ganze Team.
  • Das ganze Team trifft den Entscheid gemeinsam.

Hier ist bereits sichtbar, dass Verantwortung und Entscheidungsprozesse zusammenhängen. Wer die Verantwortung hat, will in der Regel in den Entscheid eingebunden werden. Und wer entscheidet, sollte im Sinne einer guten Lösung dann auch die Verantwortung mittragen.

Wann entscheiden die ExpertInnen? Wenn es bei einer Entscheidung um eine rein fachliche Frage geht, für die es Standards gibt, dann sollten die Experten und Expertinnen entscheiden. In der Praxis sind solche Fragen allerdings selten. Oft spielen neben dem Fachlichen auch noch strategische Überlegungen der Firma, Kundenwünsche oder andere Stakeholders eine Rolle. Oder es sind dann nicht die ExpertInnen selber, welche den Entscheid umsetzen müssen und es gibt deshalb Grenzen für die Umsetzung.

Bevor man den ExpertInnen eine Entscheidung delegiert, stellt sich auch die Frage: Wer sind in dieser Frage die ExpertInnen? Ist sich das Team darüber einig? Delegiert man voreilig Entscheidungen an eine bestimmte Gruppe, kann dies im Team zu Spannungen und Frustrationen führen: Warum werde ich nicht als Expertin wahrgenommen? Warum ist X dabei und ich nicht? Warum werden immer nur die lautesten Teammitglieder gefragt?

Zudem dienen Entscheidungen nicht nur dazu, eine optimale Lösung zu finden, sondern auch dem gegenseitigen Austausch und dem Erweitern der Sichtweisen. Im Zweifelsfall – und wenn das Team nicht allzu gross ist – bietet es sich deshalb an, die Entscheidung lieber im ganzen Team zu behandeln. Möglicherweise sieht genau der Lernende einen Aspekt, den die ExpertInnen völlig ausser Acht gelassen hätten.

Entscheidung aus der gemeinsamen Sicht aufs Ganze: Konsent-Verfahren

Mit dem ganzen Team entscheiden? Genau hier landen wir beim Stichwort «Quasselrunde». Mit der richtigen Struktur ist es jedoch auch in einer grösseren Gruppe möglich, effiziente und gute Entscheidungen zu treffen. Ein bewährtes Verfahren dafür ist das Konsentverfahren:

  1. Einigen Sie sich zuerst in der Gruppe darauf, was genau heute entschieden werden soll und schreiben Sie die Frage für alle TeilnehmerInnen sichtbar auf (allein dieser eine Punkt kann in einer Entscheidungsdiskussion schon sehr viel Zeit sparen!). Holen Sie explizit die Zustimmung jedes Anwesenden zur Formulierung ab. Danach können Sie abschweifende Voten mit dem Verweis auf das bestimmte Thema einfacher im Zaum halten.
  2. Reihum darf jeder Teilnehmer und jede Teilnehmerin seine Gesichtspunkte, Befürchtungen, Präferenzen zum Thema berichten. Auch diese Einwände werden visualisiert. Vermeiden Sie in dieser Phase Diskussionen zwischen den TeilnehmerInnen – jeder und jede kommt irgendwann an die Reihe, jede und jeder wird gefragt. Halten Sie die Reihenfolge ein und eine gewisse Ungeduld bei den TeilnehmerInnen aus.
  3. Sind alle TeilnehmerInnen abgeholt, gibt es eine zweite Runde: Hat sich aus dem, was gesagt wurde, für den Teilnehmer oder die Teilnehmerin noch zusätzliches ergeben? Wenn nötig, machen sie noch eine dritte, vierte, fünfte Runde…
  4. Sind keine weiteren Gesichtspunkte mehr da, markieren Sie aus dem Gesagten das, was sich als Konsens herauszukristallisieren scheint plus die Einwände, die noch offen sind. Muss für die Entscheidung noch etwas recherchiert werden? Was machen wir, wenn Fall X eintritt? Was braucht es, damit wir alle mit dem Restrisiko Y leben können? Brauchen wir eine zeitliche Beschränkung?
  5. Holen Sie die Zustimmung aller Beteiligten zu dem Vorschlag reihum ab. Gibt jemand keine Zustimmung, fragen Sie gezielt danach, was die Person noch brauchen würde, damit sie zustimmen könnte. So sollten irgendwann alle Beteiligten dem Vorschlag zustimmen können.

Konsent versus Konsens versus Mehrheitsverfahren

Dieses Konsentverfahren ist nicht identisch mit einem Konsens. Bei einem Konsens wird solange diskutiert, bis sich alle Teammitglieder über die genaue Ausprägung einer Lösung einig sind. Man findet die Lösung, welche alle die beste finden. Der Konsent hingegen behandelt nur Einwände , d.h. der Widerstand wird minimiert, statt die Zustimmung maximiert. Es geht nicht darum, eine Lösung zu finden, die alle die beste finden, sondern eine Lösung zu finden, mit der alle leben können. So verkürzt sich die Zeit für die Lösungsfindung , ohne dass wichtige Gesichtspunkte unberücksichtigt bleiben.

Wäre es denn nicht effizienter, einfach Lösungsvorschläge zu sammeln und abzustimmen? Dies ist das Mehrheitsverfahren, dass uns schon aus der Politik sehr vertraut ist und das wir auch im Alltag oft anwenden. Dieses Verfahren hat jedoch ein paar Nachteile: Es gibt immer Gewinner und Verlierer, die (vielleicht berechtigten) Anliegen der Minderheit werden nicht berücksichtigt. Somit gibt es immer eine Fraktion des Teams, welche nur ungern hinter dem Entscheid steht, die Umsetzungswahrscheinlichkeit ist geringer. Es kann sogar in Teams zu politischen Verhaltensweisen und zu einem Gegeneinander kommen, wenn Fraktionen jeweils Unterstützung für ihre eigenen Vorschlag organisieren.

Tipps für effiziente Entscheidungen

Das Konsentverfahren braucht durch die klare Struktur eine starke Moderation. Arbeitet man im Team damit, so wird das Team jedoch immer routinierter und die Moderation wird weniger anspruchsvoll. Unabhängig davon lassen sich daraus einige Tipps ableiten, um Entscheidungen effizient zu treffen:

  • Einen Moderator oder eine Moderatorin bestimmen
  • Thema am Anfang bestimmen und von allen absegnen lassen, dann konsequent dabei bleiben
  • Reihum alle Teammitglieder sprechen lassen, damit auch weniger dominante Personen sich äussern können
  • Rückfragen direkt bilateral klären
  • Das bereits Gesagte und Geklärte visualisieren

Probieren Sie es aus – ich freue mich auf kontakt@in-gang.ch über Feedback, wie es funktioniert hat!