Leadership-Unterstützung im Startup: 3 Fallen und wie man sie vermeidet

Nach der Gründung eines Unternehmens sind viele Themen im Fokus. Führung oder Leadership-Unterstützung im Startup gehört meist nicht dazu. Ist die Finanzierung einigermassen gesichert, geht es zuerst vor allem darum, das Produkt besser mit dem Markt zusammenzubringen. Die Diversifizierung der Stellen schreitet langsam voran. Das Gründerteam macht alles – von der technischen Expertise, Personalrekrutierung über das Finanzielle bis zum Sales. Führung ist direkt Unternehmensführung, und oft wächst «die Leber mit ihren Aufgaben» – d.h., was man noch nicht kann, lernt man sehr schnell direkt in der Praxis. Mit dem Wachstum kommen immer mehr Personen in die Firma und irgendwann ist der Punkt erreicht, wo man beinahe unbemerkt in die erste Falle schlittert.

Falle 1: Keine Unterstützung holen: Wir führen erfolgreich ein Unternehmen, warum sollten unsere MitarbeiterInnen nicht Personen führen können?

Diejenigen Personen, welche in einem Startup als erste nach den Gründern eingestellt werden, kommen oft wegen ihrer Expertise hinzu. Sie bauen ihr Fachgebiet weiter auf und aus. Sobald die Firma genügend gewachsen ist, sind es genau diese MitarbeiterInnen, welche meist zu Führungskräften werden. Neben ihrer Expertise, die weiterhin gefragt ist, kommen für sie neue Aufgaben hinzu. Der Umgang mit dieser neuen «Macht» ist für viele durchaus etwas unangenehm: Ich will doch lieber weiterhin Kollege oder Kollegin sein! Gleichzeitig erwartet man von ihnen plötzlich, dass sie unangenehme Botschaften überbringen, Dinge durchsetzen und für Resultate geradestehen, die sie nicht vollständig alleine unter Kontrolle haben (siehe Artikel «Führen, ohne autoritär zu wirken»). Natürlich kann man die neuen Führungskräfte ins kalte Wasser werfen. Viele werden tatsächlich irgendwie schwimmen lernen. Und einige werden damit nicht zurechtkommen und das Unternehmen verlassen.

Mit dieser Strategie spart man kurzfristig vielleicht Geld und Zeit. Mittelfristig lohnt es sich jedoch, diesen neuen Führungskräften Unterstützung anzubieten. Sie sind in mehrerer Hinsicht Schlüsselpersonen für den Geschäftserfolg:

  • Rekrutierungskosten niedrig halten: Führungskräfte sind zentral für den Verbleib von neuen und alten MitarbeiterInnen im Unternehmen (siehe Statistik über Kündigungsgründe z.B. hier).
  • Know-how-Transfer beim Wachsen: Jeder Abgang einer überforderten Führungskraft bedeutet im kleinen Unternehmen einen Know-how-Verlust.
  • Nachhaltige Unternehmenskultur: Führungskräfte und ihr Verhalten prägen die Unternehmenskultur der wachsenden Organisation entscheidend mit.

Wann ist also der Zeitpunkt für Leadership-Unterstützung erreicht? Spätestens dann, wenn Personen führen müssen, welche nicht als Führungskräfte eingestellt wurden. Dies ist meist dann der Fall, wenn nicht mehr alle Personen in ein einziges Team passen (ab ca. 15 – 20 Personen). Sobald sich die Mitarbeiterzahl verdoppelt hat, der Output aber nicht im gleichen Masse steigt, sollten die Alarmglocken läuten.

Verpasst man den Zeitpunkt, können verbreitete Probleme entstehen: Fehlende Abstimmung zwischen Teams, siloartige Strukturen, erhöhte Fluktuation, Konflikte, fehlende Alinierung, erodierende Kultur.

Übergangspunkte eines Startups:
1. ab ca. 15 Personen: Es passen nicht mehr alle in ein (grosses!) Team.
2. ab ca. 40 Personen: Es passen nicht mehr alle in ein Zimmer - persönliche Information braucht einen grossen Raum.
3. ab 70 Personen: Es wird schwierig, mit allen persönliche Kontakte zu pflegen.
4. ab 120 Personen: Man weiss nicht mehr genau, woran die anderen arbeiten.
5. ab 150 Personen: "Dunbar-Zahl" - ab hier wird das persönliche Netzwerk unüberschaubar.

Falle 2: Fehlender Cultural Fit: Wir holen uns den besten Trainer mit >30 Jahren Trainingserfahrung in globalen Grosskonzernen.

Also: Ihr Unternehmen ist schnell gewachsen, und Sie wollen Ihren Führungskräften Leadership-Unterstützung im Startup anbieten. Sie erteilen der HR-Fachperson den Auftrag, hier etwas zu organisieren und Offerten einzuholen. Was ist nun ein gutes Leadership-Training? Natürlich spielen die Erfahrung der TrainerInnen und allenfalls Branchenaffinität eine gewisse Rolle. Damit das Leadership-Training nachhaltige Resultate zeigt, sind aber zwei Punkte von entscheidender Bedeutung:

  • Das Training muss bei den Führungskräften ankommen und die Startup-Kultur auch in den methodischen Ansätzen honorieren. Viele Startups zeichnen sich durch einen gesunden Skeptizismus aus, was herkömmliche Managementmethoden betrifft. Und dies zu Recht. Für Führung von Menschen gibt es wenig Best Practice, und gerade in Startups möchte man sich oft von überbürokratischen Prozessen, steifen Strukturen und Hierarchiestufen absetzen. Die Erfahrung des Trainers in Grosskonzernen hilft hier also weniger.
  • Die Leadership-Unterstützung im Startup sollte möglichst im Alltag verankert werden können. Hier hilft es enorm, wenn der Trainer oder die Trainerin die Situation als junge Führungskraft vor nicht allzu langer Zeit selber erlebt hat und realitätsnahe Beispiele bringen kann. Ein Training durch z.B. HR-Fachpersonen, welche zu weit von den Führungskontexten der Betroffenen entfernt ist, ist leider oft nur schwer anschlussfähig.

Meist ist dies auch der Schlüssel dazu, dass die Führungskräfte die Trainings auch wirklich motiviert absolvieren. Die meisten Menschen haben nichts dagegen, etwas zu lernen, was sie im Berufsalltag wirklich weiterbringt. Graue Powerpointschlachten und abgehobene Kommunikationsformeln (Stichwort Feedback!) sind jedoch oft das Gegenteil davon.

Als Alternative zu einem Training könnten diese zwei Punkte auch mit einer Serie von individuellen, kurzen Coachings «on-the-job» abgedeckt werden. Dies ist gerade auch dann sinnvoll, wenn es um wenige Führungskräfte geht und man nicht warten will, bis man eine ganze «Schulklasse» von Führungskräften zusammen hat.

Falle 3: Keine Zeit investieren: Bei uns ist immer soviel los, wir wollen das kurz und schnell.

Leadership-Unterstützung im Startup sollte auf Wunsch der anfragenden Person oft schnell und möglichst unbemerkt stattfinden. Man hat viele Kunden zu bedienen und chronisch zuwenig Ressourcen. So möchte man das Training irgendwie dazwischen klemmen: «Könntest du uns ein Lunch & Learn zu dem Thema machen?». Natürlich kann man eine Reihe mit einstündigen Vorträgen zum Thema organisieren (oder einfach die Rubrik «Führung» in meinen Blog kollektiv zum Lesen verordnen – Gratistipp & Billigvariante ☺️). Allerdings bewegt man sich dabei mit grosser Wahrscheinlichkeit genau in dem Problemfeld, das ich vorher schon angesprochen habe: Man bleibt in der Theorie und hat keine Chance für Verankerung oder das Eingehen auf spezielle Situationen welche im Unternehmen (gerade) besonders wichtig sind.

Zudem: «Richtige Arbeit» und Training in Opposition zu stellen, ist von vornherein keine gute Idee. Es wird hier kulturell eine ganz bestimmte Botschaft gesendet – nicht nur an die Führungskräfte, sondern an das gesamte Personal: Für das, was uns wichtig ist, investieren wir Zeit. Und gute Führung ist uns die Zeit/Investition nicht wert.

Kommt die Botschaft bei den Führungskräften an, ist für sie klar: Führung ist das, was ich nebenbei mache. Wichtig ist «die Arbeit». Es wäre naiv, zu glauben, dass eine solche Denkweise sich nicht im Verhalten spiegelt und mittelfristig negative Effekte auf alle MitarbeiterInnen hat. Ausserdem: Wenn Führung «so nebenbei mit links» geschehen sollte – wer möchte in so einem Unternehmen noch Führungsaufgaben übernehmen? Bald nur noch diejenigen, welche extrinsisch durch Status oder mehr Lohn motiviert sind. Und das wäre doch schade für die tolle Startup-Kultur.

Es gibt ganz viel Spielraum für ein «minimum viable training», ganz ohne Zeitaufwand und Commitment der Firma ist es jedoch nicht zu haben.

Leadership im Startup fördern – so gelingt’s!

Als Fazit also meine drei Tipps:

  • Besser früh beginnen, als später Fehler ausbügeln – jede Führungskraft hat einen Impact auf die Firma!
  • Sich gut überlegen, welcher Trainer oder welche Trainerin passt – moderne Ansätze, passender Stil und praktische Erfahrungen sind Trumpf.
  • Sich als Unternehmen dazu committen, dass dies eine nachhaltige Investition ins Wachstum ist und genug Zeit dafür bereitstellen.