Virtuelle Konferenzen: Networking digital unterstützen – mit Mehrwert

Virtual Networking

Als die Corona-Krise kam, haben viele Anbieter von Trainings und Konferenzen agil gehandelt: Die Konferenz, das Training musste zum Teil unter Zeitdruck in den digitalen Raum verschoben werden. Viele waren überrascht, wie schnell die Inhalte digitalisiert werden konnten. Aber Konferenzen und Trainings haben neben dem inhaltlichen auch einen sozialen Aspekt:

Wir gehen nicht nur an Konferenzen und Trainings, um etwas zu lernen. Wir gehen dorthin, um uns mit Menschen auszutauschen, neue Leute kennenzulernen und um uns zu vernetzen.

Die Frage ist also: Wie können wir also an diesen Anlässen neben dem Inhalt auch das Networking in den digitalen Raum bringen?

Networking an digitalen Konferenzen: So wie immer?

Auf der Hand liegt die erste Idee: Wir bilden die Zeit für Interaktionen, also die Kaffeepausen, im Digitalen ab. Über diese «virtuellen Kaffeepausen» habe ich bereits an anderer Stelle geschrieben – Hauptproblem ist, dass meist nur eine Person gleichzeitig reden kann. Tools aus dem Bereich der virtuellen Welten wären ein Ausweg: Hier kann man sich als Avatar durch den digitalen Raum bewegen und jeweils nur mit denjenigen sprechen, in deren Nähe man sich gerade befindet. Diese Software-Tools sind aber oft zu schwergewichtig (bzw. zu teuer) für den kurzfristigen Einsatz für eine einzige Veranstaltung. Leichtgewichtige Gratistools wie Gather erweisen sich momentan jedoch noch zu wenig stabil für den professionellen Einsatz.

Daraus (und aus der Erfahrung, wie man einmal allein mit Kaffee und Handy an einem Stehtisch stand…) ergibt sich die zweite Idee: Vielleicht wäre es der bessere Ansatz, das Networking für die digitalen Räume nicht exakt zu kopieren, sondern bewusst die neuen Möglichkeiten mit Mehrwert zu nutzen? Dafür müssen wir uns erst mit ein paar Gestaltungsparametern des Networkings auseinandersetzen. Diese können wir dann mit spezifischen Tools unterstützen.

Chatroulette, Cold Calls, Bubblebreaking: Steuerung und Fokus des Networkings

Die zwei ersten Parameter sind Kontaktsteuerung und Fokus:1
FokuSSELBST gesteuERT
(Mit WEM WILL ICH?)
FreMDgeSTEUERT
/
ZUFäLLIG
inhaltsorientiert (gemeinsame Erfahrung/Aufgabe im Fokus)– Cold Calling eines prospektiven Kunden
– Für eine Arbeitsaufgabe selber Teams formen
Online-Gaming, Hackathon mit zufällig zusammengewürfeltem Team
gemischtSich auf LinkedIn mit Agile Coaches vernetzen– In einem Workshop mit vom Trainer bestimmten Teilnehmern ein Thema bearbeiten
– Von Jobhuntern/Netzwerkern auf LinkedIn kontaktiert werden
beziehungsorientiert (das Soziale im Fokus)– Online-Dating
– Am Freitagsbier mit den Kollegen teilnehmen
Chatroulette
  • Wer bestimmt, mit wem ich in Kontakt trete? (Zufall, Fremdsteuerung, Selbststeuerung)
  • Mit welchem Fokus suche ich diese Kontakte? (eher inhaltlich, eher beziehungsorientiert).

Designt man Networking-Aktivitäten für Trainings oder Konferenzen ist noch eine weitere Frage wichtig: Wer soll genau welche Leute kennenlernen? Hier kann man zwei Bedürfnisse unterscheiden:

  • Gleichgesinnte finden (Leute die ähnlich ticken, Leute mit den gleichen Interessen)
  • Kontrastierende Leute kennenlernen (aus der eigenen «Bubble» ausbrechen, neue Impulse erhalten)

Neue Kontakte oder Beziehungen pflegen: Was unterstütze ich wie?

Die nächste Frage, die sich stellt ist: Möchte ich an meiner Konferenz oder in meinem Training in erster Linie die Beziehungspflege von bestehenden Kontakten unterstützen? Oder geht es darum, das Eis zwischen zwei Unbekannten zu brechen, so dass sich neue Kontakte ergeben? Wie möchte ich die Balance zwischen diesen zwei Bedürfnissen gestalten? Diese beiden Ziele werden nämlich durch unterschiedliche Aktivitäten unterstützt (eine Liste von Ideen für Tools und Aktivitäten erscheint jeweils beim Klick auf die Fussnote).

Neue Kontakte FördernBESTEHENDE BezIEHUNGEN PFLEGEN
Gleichgesinnte, bzw. kontrastierende Personen identifizieren
2Hier kann man z.B. die «Raise Hand«-Funktion in digitalen Meeting-Tools nutzen und Fragen stellen, die mit dem Konferenzthema in Beziehung stehen. Noch etwas sichtbarer wird es mit der Übung «Constellation» (die Teilnehmer ihre Position zu einer Frage auf einer Skala anhand eines mit ihrem Namen beschrifteten Post-Its abbilden lassen), z.B. «Ich arbeite frühmorgens am besten».
Gemeinsame Erlebnisse schaffen
3Gemeinsame Erfahrung an einer Konferenz: Analoge Konferenzen haben dafür das Rahmenprogramm mit Exkursionen etc. An einer digitalen Konferenz könnte man sich ähnliches ausdenken, z.B. ein neues Tool (wie OnlineTown) gemeinsam ausprobieren, eine GooseChase organisieren, Twaikus (in Teams Haikus zum Thema der Konferenz verfassen und über Twitter absetzen).
Gelegenheit bieten, sich zu zeigen
4Hier bietet sich eine Form der Marktstand-Übung an. In einem digitalen Board (oder z.B. in einem Wiki) gibt man den Teilnehmern die Möglichkeit, sich gezielt und kurz in einer Sektion vorzustellen:
– Wer bin ich in 140 Zeichen?
– Was biete ich den Teilnehmern AN DER KONFERENZ an? (Wichtig: NICHT «was ist generell mein Business»)
– Was suche ich an der Konferenz von den anderen TeilnehmerInnen?
Privaten Austausch ermöglichen
5Dies kann man etwa mit «mietbaren» digitalen Austauschräumen unterstützen oder durch einen konferenzbegleitenden Chatraum.
Anlässe zum Ansprechen schaffen
6Auch hier kann man z.B. «Constellation» oder die «Raise Hand«-Funktion in digitalen Meeting-Tools nutzen und witzige oder inhaltlich relevante Fragen stellen, die mit dem Konferenzthema in Beziehung stehen.
Erfahrungsaustausch und Wissensaustausch
in beiden Richtungen fördern
7Erfahrungsaustausch und Wissensaustausch ermöglichen: Der Austausch in Kleingruppen kann nicht nur in Trainings, sondern auch an Konferenzen genutzt werden. Diese Gruppen können sich schon entweder schon während eines Referats in einem privaten Chat live zum Gehörten austauschen bzw. nach dem Referat zum Austausch treffen. Am Schluss kann man das so Gesammelte dann ins Plenum zurückgeben.
Ein bewährtes Tool sind auch Forschungsfragen (nach Thiagi):
• Die Teilnehmer in 3 Gruppen einteilen, aber noch im Plenum behalten.
• Sobald die Gruppen gemacht sind, schreibt jeder z.B. in Zoom die Gruppennummer hinter seinen Namen (sichtbar, wer wo dazugehört).
• Pro Gruppe wird eine Frage ausgeteilt.
• Wer Gruppe 1 ist, stellt seine Frage im Zoomchat privat NUR an Personen mit Gruppennummer 2 oder 3 hinter dem Namen und notiert sich die Antworten.
• Wer schon die gleiche Frage beantwortet hat, beantwortet sie nicht ein zweites Mal.
• Die Gruppen 1,2,3 fassen in Breakout-Sessions ihre Forschungserkenntnisse zusammen.
• Danach präsentiert jede Gruppe die Resultate im Plenum.

Welche Tools und Aktivitäten soll ich also anbieten? Wichtig ist bei der Auswahl auch, wie fest sich die TeilnehmerInnen aus der Komfortzone bewegen sollen. Dies hängt von der Art des Anlasses genau so ab wie von den digitalen Kenntnissen und Vorlieben der TeilnehmerInnen und VeranstalterInnen.

Virtuelles Netzwerken: Tools und Komfortzone

Während ein Tool wie «Marktstand» grosse psychologische Sicherheit erfordert, ist der Schritt, eine anonyme Frage in einer Zoom-Session zu stellen, sehr viel niedriger. Zu beachten ist auch, dass bei einigen Tools ein «Nicht-Mitmachen» negativ auffällt, bzw. die Gruppenarbeit beeinträchtigt (rechte Bildhälfte), während dies bei anderen Tools psychologisch einfacher ist (linke Bildhälfte).

Networking? Im Digitalen ist es einfacher!

Fazit: Es gibt viele Möglichkeiten, wie man gerade im digitalen Raum das Networking unkompliziert unterstützen und gestalten kann. Denn der digitale Konferenzraum bietet gegenüber dem analogen einen Haufen Vorteile:

  • Digital kann ich auf einen Blick sehen, wer in einem Raum ist (z.B. Teilnehmerliste in Zoom). Ich muss mir keine Namen merken.
  • Digital kann man unkompliziert auch als TeilnehmerIn ein Profil anlegen und dynamisch erweitern, es muss nicht auf einem Namensschild Platz haben.
  • Digital sind vielfältige Links möglich. Ein Name kann direkt mit einer Firmenwebseite, einer Hobby-Diskussionsgruppe, Sportresultaten, Lieblingsvideos oder Memes verknüpft werden.
  • Digital ist synchon und asynchron: Die Interaktionsmöglichkeiten sind während der Konferenz auch möglich, wenn die Person gerade nicht anwesend ist.
  • Jemanden über den Chat ansprechen ist viel einfacher als an einer analogen Konferenz direkt auf jemanden zuzugehen.

Und meiner Meinung nach das Wichtigste: Der digitale Konferenzraum ist neu. Die Hemmschwelle, auch bezüglich Networking etwas Neues anzubieten bzw. in Anspruch zu nehmen ist deshalb geringer. Nutzen wir deshalb doch diese Chance! Ich unterstütze Sie bei Bedarf sehr gerne mit weiteren Ideen (kontakt@in-gang.ch).