Im U, per Du: Was Meetings über die Unternehmenskultur verraten

Meeting im U

Haben Sie sich auch schon einmal darüber beklagt, dass Sie zuviele langweilige Meetings haben? In vielen Organisationen sind Sitzungen ungeliebte Phänomene, in deren Design wenig investiert wird und die generell wenig Aufmerksamkeit bekommen. So ist es wiederum nicht verwunderlich, dass diese oft nicht zu den besten Erlebnissen des Berufslebens zählen. Dies müsste eigentlich nicht so sein. Ob gut oder schlecht: Tatsächlich sind Meetings für die Kultur einer Organisation wichtiger als man denkt.

Mit der Unternehmenskultur verhält es sich nämlich wie das Huhn-Ei-Problem: Sie bestimmt einerseits das Verhalten der Menschen in einer Organisation. Andererseits wird die Kultur auch täglich neu von den MitarbeiterInnen durch ihre Handlungen definiert und vermittelt. Meetings sind ein gutes Beispiel dafür. Werden Sie also in Ihrer nächsten Sitzung ruhig einmal zum Ethnologen oder zur Ethnologin: Beobachten Sie, was genau abläuft und was die Geschehnisse im Meeting über Ihre ureigene Organisationskultur aussagen.

«Cool, ein Meeting!»: Sinn, Wertvorstellungen und Zweck

An Meetings lässt sich ablesen, wie die Organisation mit ihren eigenen Grundwerten und ihrem Zweck umgeht und wie transparent dieser für die Mitarbeitenden in der täglichen Arbeit wird.

  • Herrscht Klarheit/Transparenz darüber, warum das Meeting für die Organisation nötig ist?
  • Was wird kommuniziert? Was nicht?
  • Erkennen die TeilnehmerInnen einen Zusammenhang von diesem Meeting und ihrer täglichen Arbeit? Wird dies thematisiert?
  • Wie wird von wem über Meetings gesprochen?
  • Welche Wertvorstellungen offenbaren sich hinter dem, wie man über Meetings spricht?
  • Wird die aktive Mitgestaltung von Meetings oder die Teilnahme an Meetings belohnt? Oder eher nicht? Gilt Meetingzeit als wertvolle Zeit? Warum? Warum nicht?

«Wenn der dabei ist, geht es lange…»: Teilnehmer, Entscheidungen, Konflikte

In Meetings wird auch viel Interessantes über die Beziehungen der Mitarbeitenden untereinander und über soziale Konventionen sichtbar:

  • Nach welchen Kriterien wählt man die TeilnehmerInnen an Meetings aus? (Fachliche Kriterien? Nach dem Organigramm? Die, welche dabei sein wollten?)
  • Was sind die Konsequenzen, wenn man an einem Meeting nicht anwesend war? (Keine? Entscheide werden nicht getroffen? Witze, die man danach nicht versteht?)
  • Wie ist die Stimmung im Meeting? (humorvoll/entspannt, diszipliniert/angespannt, lethargisch/resigniert)? Warum?
  • Überwiegt im Meeting die Sach- oder die Beziehungsorientierung?
  • Wie werden Entscheide gefällt? (demokratisch, gar nicht, vom Chef?)
  • Setzt man getroffene Entscheidungen auch um («Buy-in») oder muss öfter dasselbe besprochen werden?
  • Wie wird mit Meinungsverschiedenheiten und Konflikten umgegangen? (vermeiden, emotional, ausdiskutieren)

«Machen wir es so…»: Führungskultur anhand von Meetings

Im Zusammenhang mit Entscheiden und Konflikten verraten Meetings auch etwas über die Führungskultur im Unternehmen.

  • Wer lädt zu einem Meeting ein? Führungskräfte mit disziplinarischer Macht? ProjektleiterInnen oder fachliche ExpertInnen?
  • Sind es alle ein bisschen? In manchen partizipativ geführten Unternehmen gilt das Prinzip «Wenn ich zu einem Meeting einlade und TeilnehmerInnen auch wirklich erscheinen, dann habe ich Macht!»
  • Wer muss an einem Meeting teilnehmen? Ist die Teilnahme optional? Für wen?
  • Leitet das Meeting die gleiche Person, welche eingeladen hat?

Ohne Licht, dafür mit Stühlen: Struktur und Umgebungsfaktoren

  • Wo findet das Meeting statt? Wie sind die Meetingräume ausgestattet und möbliert? Was sagt das wiederum über die Haltung der Organisation zu Sitzungen aus?
  • Wird in effektive Meetings investiert, z.B. mit Moderationskursen oder sogar designierten ModeratorInnen? Was sagt das wiederum über die Haltung der Organisation zu Sitzungen aus?
  • Läuft das Meeting strukturiert ab? Eventuell sogar anhand von Standards? Warum? Warum nicht? Wie hängt das mit der Aufgabe der Organisation als solcher zusammen?
  • Wie kurzfristig/langfristig wird ein Meeting einberufen? Mit welchen Konsequenzen?
  • Sind am Ende des Meetings Resultate vorhanden? Wie sind diese erkennbar? Was geschieht mit diesen Resultaten?
  • Welche Technologie wird für Meetings genutzt? Warum? Richten sich die Meetings nach der Technologie oder umgekehrt?

Was auch immer Sie dabei entdecken – auch eine Meetingkultur ist nicht einfach «gut» oder «schlecht». Die Frage ist vielmehr: Spiegelt sich das, was das Unternehmen sein will, auch in seinen Meetings? Helfen die Meetings dabei, den Unternehmenszweck erfolgreich zu erfüllen? Kann eine dieser beiden Fragen nicht mit «ja!» beantwortet werden, so besteht wahrscheinlich Handlungsbedarf.

Meetings «hacken»: Kleine Veränderungen mit Potential

Die gute Nachricht: Meetings sind ein guter Ansatzpunkt, um mit kleinen Veränderungen zu experimentieren und deren Auswirkungen auf die Unternehmenskultur zu testen. Probieren Sie es aus!

  • Experimentieren Sie mit einfachen «Best practices»:
    • Zweck: Kommunizieren Ihre Meetingeinladungen einen klar definierten Zweck? (Eine gute Frage ist hier «Was muss in diesem Meeting passieren, damit ich sagen kann, dass wir/ich die Zeit optimal investiert haben?»)
    • Struktur: Forcieren Sie für einen definierten Zeitraum für Präsenzmeetings die Regel «Keine Laptops in den Meetings» (das funktioniert möglicherweise nur, wenn sie gleichzeitig den nächsten Punkt umsetzen).
    • Sinn, Struktur: Gibt es am Schluss des Meetings eine kurze Zusammenfassung des Erreichten? Versenden Sie diese Resultate nachträglich an die TeilnehmerInnen.
  • Falls Sie das alles schon kennen:
    • Beziehungen und Führung: Erhöhen Sie die Beteiligung der TeilnehmerInnen, z.B. mit Techniken aus Liberating Structures oder aus agilen Retrospektiven.
    • Beziehungen und Führung: Wagen Sie es, die Teilnahme an einem Meeting vollständig optional zu machen? Was passiert dann? Was muss sich nun allenfalls ändern?
    • Umgebungsfaktoren: Experimentieren Sie mit dem Mobiliar oder der Technologie. Braucht bei der Sitzung wirklich jeder Teilnehmer einen Tisch vor sich? Können Sie die Sitzung auch in einem Stuhlkreis abhalten? Oder im Stehen? Beobachten Sie, was für Effekte auftreten.
    • Führung, Struktur: Delegieren und rotieren Sie die Moderation von Sitzungen – es ist nicht gesagt, dass das die Führungskraft machen muss. Vielleicht entdecken Sie sogar unter Ihren Lernenden/PraktikantInnen unerkannte Talente!
    • Restrukturieren Sie immer mal wieder Ihren eigenen Meetingkalender. Kennen Sie den Zweck jedes der Meetings, an denen Sie momentan teilnehmen? Werden Sie so allenfalls Meetings los, die nicht unbedingt nötig sind.

Wie gesagt – Meetings sind komplexer, als es auf den ersten Blick aussieht. Ich unterstütze Sie gerne dabei, die Meetings in Ihrer Organisation so aufzusetzen, dass sie dem Zweck des Unternehmens optimal dienen und die Werte der Organisation auch wirklich gelebt werden können (kontakt@in-gang.ch).