Teamzusammenhalt trotz Diversität: Wie gelingt das?

Teamzusammenhalt

In einem früheren Beitrag habe ich bereits einmal darüber geschrieben, dass erst der gemeinsame Zweck ein Team überhaupt zu einem Team macht. Das ist der äussere und notwendige Rahmen, der einem Team hilft, sich überhaupt von der Gruppe zum Team zu transformieren. Ergänzend dazu soll es nun um den inneren Teamzusammenhalt gehen. Wie bildet sich das Team konkret? Und wie gelingt das mit Menschen aus verschiedenen Disziplinen und Hintergründen? Ein guter Zusammenhalt verhindert nicht nur die Fluktuation von MitarbeiterInnen, sondern wirkt sich auch direkt auf die Leistung des Teams aus.

Das Problem mit der Diversität

Ein Team ist eine Gruppe von Leuten mit einem gemeinsamen Zweck. Um diesen Zweck zu erfüllen, müssen oft verschiedene ExpertInnen ihr Wissen und ihre Erfahrung einbringen. Und: man muss unweigerlich miteinander kommunizieren. Dabei fällt dann auf, dass es trotz dem gemeinsamen Zweck eben auch Verschiedenheit gibt. Die eine ist direkt, der andere macht die Faust im Sack. Die einen wollen alles sofort ausprobieren, die andern möchten erst die Fakten analysieren. Die einen reden wie ein Wasserfall (extrovertiert), die anderen müssen erst einmal Zeit haben, um ihre Gedanken zu ordnen (introvertiert).

Meist tendieren wir dazu, jene Leute zu mögen, die ähnlich ticken und sich für ähnliche Dinge interessieren wie wir selbst. Das braucht weniger Energie und wir wissen, woran wir sind. Am liebsten wäre uns instinktiv ein Team von FreundInnen, mit dem wir auch das ganze Wochenende verbringen würden. Gerade wenn es um Kreativität oder Innovation geht, sind aber diverse Teams in der Regel leistungsfähiger. Sie bringen ganz verschiedene Perspektiven und Strategien ein. In vielen Berufsfeldern ist es überdies notwendig, dass SpezialistInnen mit verschiedenen Fachkenntnissen zusammenarbeiten. Somit unterscheiden sich Interessen und persönliche Stärken oft wesentlich. Das mit dem «Mögen» ist dann schwieriger. Oft fällt es Teammitgliedern nicht von Natur aus leicht, mit ganz anderen Menschentypen reibungslos zusammen zu arbeiten.

Wie also schafft man den Teamzusammenhalt? Es gibt grundsätzlich zwei Wege:

  • Man versucht, ein harmonisches «Team von Freunden» zu rekrutieren, vermeidet damit Reibungen und einen Teil Innovation.
  • Oder aber man stellt sich der Herausforderung von heterogenen Teams und investiert regelmässig in die Kompetenz des Teams, mit den Reibungen konstruktiv umzugehen. Ein erster Schritt kann sein, das Bewusstsein für die Vielfalt und einen konstruktiven Umgang damit gezielt in einem Workshop zu schärfen. So können sich die Teammitglieder besser verstehen und in ihren Eigenarten respektieren lernen.

Man muss seine ArbeitskollegInnen also nicht unbedingt mögen, aber man sollte sie zumindest respektieren (Respekt ist nicht zuletzt deshalb auch ein zentraler Wert im agilen Framework Scrum, wo Teams grundsätzlich interdisziplinär sind).

Teamzusammenhalt fördern: Es passiert automatisch!

Selbst wenn man ausser dem Zweck fast keine Rahmenbedingungen vorgibt, bildet sich fast automatisch «Zusammenhalt» im Team. Dieser ist aber nicht unbedingt so, wie es für eine Organisation sinnvoll und positiv ist:

Die gemeinsame Situation: Nur schon die Tatsache, dass man als überschaubare Gruppe der gleichen Führungskraft unterstellt ist und gemeinsam in Meetings ist, stiftet ein erstes (schwaches) Gefühl von Gemeinsamkeit. Die daraus entstehenden Emotionen können jedoch von «gemeinsam auf der Galeere» bis zu «yay, Schulreise!» variieren.

Der gemeinsame Feind ist ein Katalysator für einen schnellen Teamzusammenhalt. Die rivalisierende Abteilung, der böse CFO oder die «Idioten von der IT» schaffen schnell ein wachsendes Repertoire an Anekdoten, von denen man sich konstituierend abgrenzen kann (wie wissenschaftlich von Henri Tajfels Social Identity Theory schon in den 70er-Jahren beschrieben). Dies ist allerdings mit Blick auf das Wohl der Organisation als Ganzes problematisch, da die Akteure dann einfach ausserhalb der Teams gegeneinander statt miteinander arbeiten.

Exklusivität: Setzt man die Hürden des Eintritts in die Gruppe hoch an, kann dies zu mehr Identifikation mit dem «Elite-Team» führen. Allerdings ist auch diese Identifikation nicht unbedingt positiv, sondern verhindert möglicherweise Fluktuation auch bei negativen Erfahrungen.

Der Kitt: Gemeinsame Geschichten und Werte

Oft wird behauptet, dass der Austausch von Persönlichem zwischen den Teammitgliedern den Teamzusammenhalt fördert. So einfach ist es jedoch nicht: Gerade weil Leute unterschiedlich sind, ist die Grenze dessen, was man am Arbeitsplatz angebracht findet, eben auch verschieden. Respekt heisst, auch zu respektieren, dass Kollege A mir nicht erzählt, ob er in einer Beziehung ist oder nicht oder was er genau am Wochenende gemacht hat. Hier ist auch der Aspekt der «psychologischen Sicherheit» zentral: Wieviel Vertrauen im Team herrscht im Team bereits? Psychologische Sicherheit kann zwar gefördert werden, wenn einzelne Mitglieder den Raum des «Akzeptablen» durch persönliche Statements immer mehr erweitern und somit anderen die Sicherheit geben, sich ebenfalls zu äussern. Ein Zwang, gewisse persönliche Fragen zu beantworten, wäre jedoch kontraproduktiv.

Besser ist es, auf gemeinsame Erlebnisse zu setzen. Diese schaffen eine Basis von Geschichten, welche dem Team Identität geben. Eine ganze Industrie rund um Teambuilding-Aktivitäten wie Bierbrauen, Bauernhof-Olympiade oder Rafting hat dies erkannt. Allerdings ist auch hier Vorsicht geboten: Wenn man sich noch nicht so gut kennt, kann ein solcher Anlass auch grossen Stress bedeuten. Wer will sich schon vor der ganzen Gruppe mit der Angst vor Wildwasser outen? Oder zugeben, dass man Bier – aus religiösen oder geschmacklichen Gründen – total inakzeptabel findet? Stoff für Geschichten findet sich andererseit auch gerade im Berufsalltag. Wenn man sich die Zeit nimmt, um diese mit dem Team aufzudecken und zu nutzen, sind diese genau so wertvoll: Der Stromausfall an einem Mittwochnachmittag im November, der Umzug an den neuen Standort, oder der Tag, an dem Petra ihren neuen Hund ins Büro mitnehmen musste…

Anhand dieser Geschichten zeigen sich exemplarisch die ungeschriebenen Regeln, aber auch die Teamwerte. Es kann dem Team helfen, sich dieser Dinge bewusst zu werden. Auch explizite Regeln und explizit erarbeitete gemeinsame Werte stiften Identität. Sie kulminieren manchmal in einem Teammaskottchen oder einem Slogan, in dem sich das Team wiederfindet. Ultimativ geht es darum, als Team eine Identität zu finden, in der jeder mit seiner Eigenart seinen Platz hat. So wird ein Team gekittet, aber nicht verklebt und kann seine Diversität gewinnbringend für das Erreichen seiner Ziele nutzen.